Neuroborreliose durch Zeckenbiss
Zecken: Sie sitzen im Sommer im hohen Gras, können unbemerkt auf den Menschen überwandern, sich festsetzen und eine ganze Weile dort bleiben, bevor sie bemerkt werden. Dabei können verschiedene Krankheiten übertragen werden. Gegen eine davon – die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) – kann man sich durch eine Impfung schützen. Gegen die Borreliose, die sehr viel häufiger vorkommt, nicht. Die Erkrankung kann das Nervensystem befallen und zu einer Neuroborreliose führen.
Wie macht sich eine Neuroborreliose bemerkbar?
Die Borreliose wird meistens durch Zecken der Gattung „Gemeiner Holzbock“ übertragen. Es ist eine systemische Erkrankung, die verschiedene Organsysteme betreffen kann und durch das Bakterium Borrelia burgdorferi ausgelöst wird. Am häufigsten manifestiert sich eine Borrelieninfektion als Erythema migrans.
Das ist eine Rötung rund um die Einstichstelle, die sich klassischerweise ringförmig ausbreitet. Wird die Infektion in diesem Stadium nicht bemerkt und ausreichend mit Antibiotika behandelt, können sich die Erreger im Körper ausbreiten und verschiedene Organe befallen. Meistens sind das Nervensystem, das Herz, Muskeln oder Gelenke betroffen. „Einen Befall des Nervensystems nennt man Neuroborreliose, Meningoradikuloneuritis oder Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom.“
Die Erkrankung tritt meist innerhalb weniger Wochen nach einem Zeckenbiss auf, manchmal aber auch noch Monate oder sogar Jahre später.
Es gibt eine typische Trias an Symptomen, die bei einer Neuroborreliose oft gemeinsam auftreten. Es sind:
- Radikulitis oder Radikuloneuritis
- Hirnnervenausfälle
- Meningitis
Radikuloneuritis: Stark schmerzhafte Nervenschädigung
Eine Radikulitis ist eine Schädigung der Wurzeln von Spinalnerven. Bei einer Neuritis sind periphere Nerven geschädigt. Oft tritt beides gleichzeitig auf, was man dann als Radikuloneuritis bezeichnet.
Bei einer Radikuloneuritis kommt es zu einer Schädigung der Nerven, die sich durch Schmerzen, Missempfindungen oder Lähmungen bemerkbar macht. Die Beschwerden befinden sich in dem Gebiet, das durch die entsprechende Nervenwurzel versorgt wird. Manchmal sind die Schmerzen so stark, dass sie den Alltag des Betroffenen massiv einschränken. „Sind Nervenwurzeln betroffen, die die Atemmuskulatur oder das Zwerchfell versorgen, kann die Neuroborreliose durch eine respiratorische Insuffizienz lebensbedrohlich werden.“
Hirnnervenausfälle: meistens eine Lähmung der mimischen Muskulatur
„Bei etwa 60 Prozent der Patienten mit Neuroborreliose treten Hirnnervenausfälle auf.“ Es können prinzipiell alle Hirnnerven betroffen sein, nur eine Läsion des Nervus olfaktorius wurde bisher noch nie beobachtet. Am häufigsten tritt eine Fazialisparese auf. Der Nervus fazialis ist der Nerv, der die Gesichtsmuskulatur versorgt und damit für die Mimik zuständig ist.
Symptom der Fazialisparese im Rahmen einer Neuroborreliose ist eine Gesichtslähmung, die sich durch einen herabhängenden Mundwinkel, einen unvollständigen oder aufgehobenen Lidschluss und ein nicht mehr mögliches Stirnrunzeln bemerkbar macht. Die Fazialisparese kann nur in einer Gesichtshälfte auftreten, aber auch bilateral. In der Regel bildet sich die Fazialisparese innerhalb von ein bis zwei Monaten vollständig wieder zurück. Nur bei etwa fünf Prozent der Patienten bleiben Residuen. Insbesondere Kinder sind bei einer Neuroborreliose sehr häufig von einer Fazialisparese betroffen.
Bereits sehr viel seltener tritt eine Lähmung des Nervus abducens auf, der für einen Teil der Augenbewegungen zuständig ist. Die anderen Hirnnerven sind noch seltener von einem akuten Ausfall betroffen.
Meningitis: Entzündung der Hirnhäute
Eine Meningitis ist eine Hirnhautentzündung. Sie äußert sich typischerweise durch starke Kopf- und Nackenschmerzen, hohes Fieber, das häufig zusammen mit Schüttelfrost auftritt und eine zunehmende Nackensteifigkeit.
Nackensteifigkeit bedeutet, dass es dem Patienten nicht oder nur unter starken Schmerzen möglich ist, den Kopf nach vorne zu beugen. Weitere mögliche Symptome, die bei einer Meningitis vorkommen können, sind Übelkeit und Erbrechen, Lichtempfindlichkeit, ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl, Schläfrigkeit und Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma.
Insbesondere bei Säuglingen treten jedoch oft unspezifische Zeichen auf wie ein schrilles Weinen, Berührungsempfindlichkeit oder ein sich sehr schnell verschlechternder Allgemeinzustand. Auch Senioren zeigen nicht immer klassische Symptome, bei ihnen wird eine Meningitis manchmal auch mit Verwirrtheit oder einem Schlaganfall verwechselt.
Verlauf der Neuroborreliose
„In den meisten Fällen tritt eine Neuroborreliose als akute Erkrankung auf.“ Es kommt zu der beschriebenen neurologischen Symptomatik, die einige Wochen bis wenige Monate nach einem Zeckenbiss auftritt.
Häufig treten dabei starke Schmerzen auf, die segmental angeordnet sind und besonders in der Nacht am stärksten sind. Im weiteren Verlauf können sich Gefühlsstörungen, manchmal auch Lähmungen verschiedener Körperteile ausbilden. Ein Hirnnervenbefall ist sehr häufig. Auch eine Meningitis kommt insbesondere bei Kindern oft vor.
Bei ungefähr fünf Prozent der Patienten liegt eine chronische Neuroborreliose vor. Dabei entwickelt sich die Krankheit schleichend über mehrere Monate bis Jahre. Oft treten dabei keine Schmerzen auf. Typisch ist eine Enzephalomyelitis, die sich durch einen spastisch-ataktischen Gang und eine Blasenentleerungsstörung äußert. Es kann dabei auch zu Störungen der Koordination und der Sprache kommen. Außerdem treten oft Sensibilitätsstörungen und verschiedene Paresen auf.
Manchmal tritt nach einer Neuroborreliose ein Fatigue-Syndrom auf, das sich durch eine anhaltende Schwäche, starke Müdigkeit und Schmerzen an verschiedenen Stellen äußert. Es kann nur symptomatisch behandelt werden.
Komplikationen der Neuroborreliose
Die Neuroborreliose stellt selbst bereits eine Komplikation der Lyme-Borreliose dar, die durch eine frühzeitige antibiotische Therapie verhindert werden kann. Aber auch innerhalb der Neuroborreliose können verschiedene Komplikationen auftreten. Bei einem ausgeprägten Befall des Nervensystems und der Hirnhäute kann es zu Bewegungs- und Sprachstörungen oder zu Inkontinenz kommen.
Auch Störungen der Wahrnehmung oder chronische psychiatrische Erkrankungen können auftreten. Manche Patienten leiden sogar unter epileptischen Anfällen. Um die Komplikationen der Borreliose und der Neuroborreliose zu verhindern, sollte bereits beim Auftreten eines Erythema migrans sofort eine antibiotische Therapie eingeleitet werden, zum Beispiel mit Penicillin, Doxycyclin oder Ceftriaxon.
Quellen:
https://www.dgn.org/leitlinien/2394-ll-36-2012-neuroborreliose
Matthias Sitzer, Helmuth Steinmetz: Lehrbuch Neurologie, Elsevier-Verlag